Bald gehts los.
… wir waren ja so gut in der Zeit: Kinder von Schule und Kita abgeholt, Zeugnis und gemalte Kunst gewürdigt, Musik runtergeladen, Bäcker leergekauft und um 13.30 Uhr ging es los. Aber es war nunmal Freitag und Ferienbeginn. Hölle.
Erst ein Unfall bei Frankfurt. Bis wir merken, dass wir die strategisch schlechteste Ausweichstrecke gewählt haben, stehen wir auch schon im Stau. Kurz vor Hannover noch eine Vollsperrung, danach schüttet es aus Kübeln. Schließlich brauchen wir bis Travemünde 9 Stunden, mehr als ein kleiner Stopp mit Kühlerhaubenpicknick und Minimalstpausen sind nicht drin.
Die Rückbank ist zu aufgeregt, um zu schlafen. Louisa plaudert quasi durch, Ed Sheeran hält die beiden friedlich (Shape of you in Endlosschleife. Alles hat seinen Preis). Kurz vor dem Hafen nicken beide endlich ein.
In der Warteschlange beginnt endlich der Urlaub. Das Finnlines-Infoblatt gewährt einen tiefen Blick in die finnische Seele: “Im Cafè gibt es noch Krabbenbrot und Kaffee” und “Die Sauna ist von 24 Uhr bis 4 Uhr warm.” Dann kann ja nichts mehr schief gehen … noch ein kleiner Snack in der Bar, um 1.30 Uhr schlafen drei von vier. Die Reiseleitung findet Schifffahrten im Regen ungefähr so entspannend, wie Turbulenzen im Flugzeug. Besser mal sichten, wo die Rettungwesten sind …
Der Lautsprecher in der Kabine knarzt, es folgt ein finnischer Wortschwall, danach die Übersetzung: Frühstück ist fertig, liebe Passagiere! Wir haben direkt das Mahlzeitenpaket mitgebucht, deshalb dürfen wir jetzt erst zum Frühstücken und später nochmal zum Mittagessen zum Brunchbuffet. Und das ist richtig lecker. Zum Einstieg gibt es Sekt und alkoholfreien Blubber, plus Pfannkuchen mit Schokolade (Louisa), Eier mit Speck und Speck mit Eiern (Kilian), Lachs mit Kaviar (Nicole) und Kartoffeln mit Pulled Pork (Gerald).
Ein Bummel über das Schiff zeigt, dass das Sonnendeck bei 15 Grad, Nieselregen und Wind mit 25 Metern pro Sekunde nicht der kuscheligste Ort ist. Hält einige Finnen aber nicht davon ab, draußen ein Bierchen nach dem anderen zu schlürfen - die Diskussionen an dem Tisch werden immer lauter, auch wenn man die Sprache nicht spricht, ist schnell klar: die Lage ist ganz schön ernst.
WLan gibt es nur unregelmäßig auf einem Deck, was die Sache ziemlich entschleunigt. Die Sauna lassen wir, dafür geht es nochmal ans Büffet, dann ins Kinderparadies - Bällebad, Biene Maja auf Finnisch flimmert über den Bildschirm, Tischkicker, kostenlose Wii …. dazwischen ein kurzer Blick auf die Nachrichtenlage in Deutschland (Kohl wird ausgerechnet heute ausgerechnet ist Speyer beerdigt. Finden Kilian und Louisa unbedeutend, auf dem Nachbarsender laufen Comics) und zum Abendessenbuffet, das mit dem Brunch aber nicht annährend mithalten kann.
Wir staunen darüber, mit welcher Geschwindigkeit die Fähre an Frachtschiffen vorbeizieht, schätzen die Wellenhöhe ein und testen auf dem Helikopterlandeplatz immer wieder die Wetterlage. Naja. Da ist für einen Sommeurlaub noch ziemlich Luft nach oben.
Um 22 Uhr finnischer Zeit - das ist 21 Uhr deutsche Zeit, aber die Fähre tickt ja auf jeder Uhr ausschließlich finnisch - ist Bettruhe in der Kabine. Drei von vier schlafen …
Gerald hatte kurz zuvor mit leuchtenden Augen aus unserem Minifenster geblickt: Er würde so gerne mal schwersten Seegang auf der Brücke eines Eisbrechers erleben. Kein Wunder, dass er bei dem Schwanken und Krachen süß schlummert.
Pünktlich um 8 Uhr knarzt wieder der Lautsprecher, ein freundlicher Hinweis des Kapitäns: Ab jetzt gibt es Frühstück, um 9.30 Uhr laufen wir in Helsinki ein. Der Tonfall sagt: Aufstehen, Essen und Kabine räumen! Das Frühstück ist entsprechend auch eher schmal, die Resterampe der vorhergegangenen Buffets. Aber trotzdem noch vollkommen okay.
Vom Helilandeplatz aus freuen wir uns über die ersten Schären und beobachten, wie der dicke Kahn ganz sanft einparkt. Dann geht es ans Ausparken: eine junge Finnin weist resolut den Weg aus der Fähre. Und um kurz nach 10 Uhr sind wir zum ersten Mal auf finnischen Straßen unterwegs.
Der Himmel ist grau, immerhin hat der Niesel aufgehört und Helsinki begrüßt uns am Stadtrand mit 60erJahre-Tristesse. Für einen kurzen Moment fragt man sich schon, ob man dafür 30 Stunden auf See war… Relativ unproblematisch finden wir unsere Unterkunft mitten in der Stadt, das Hostel Domus Academica. Normalerweise ein Studentenwohnheim, in den Sommerferien ein jugenherbergsähnliches Hostel. Gegenüber ist ein Nachtclub, vor dem 24-Stunden-Supermarkt tummelt sich ein buntes Völkchen, das eigentlich keinen Nachschub mehr bräuchte. Lauschig. Aber vor dem Check-In steht die Begegnung mit der Parkautomaten - der kein Bargeld mehr annimmt, sondern nur Karten. Wie die Finnen übrigens sowieso alles mit Karte bezahlen, selbst die Kugel Eis am Wagen. Der Kampf um die Karteneingabe scheint gerade gewonnen, als uns auffällt, dass wir am Sonntag kein Ticket brauchen. Na dann…
Das Personal am Eingang ist sonnigst gelaunt, in der Gemeinschaftsküche steht ein Tischkicker, das Wlan funktioniert. Und die Zimmer sind erst um 15 Uhr sauber. Was also tun in den vier Stunden? Auf dem kostenlosen Stadtplan wird gekringelt und erklärt, ein Weg empfohlen -und schon sind wir unterwegs.
Am Friedhof vorbei ans Meer. Denn der beliebteste Strand Helsinkis ist von der Innenstadt genau einen Bummel über den Friedhof entfernt, man kann natürlich auch den längeren Weg drumrum nehmen. Wir gehen aber erstmal gen Norden, die Bucht entlang. Und innerhalb von Minuten ist klar, warum sich der Weg nach Finnland gelohnt hat: Die Sonne strahlt vom blauen Himmel, der Wind weht durch die Birken, Gänse schnattern, an einen Wohnblock wurde kurzerhand ein kleiner Laden für die tägliche Dosis Kaffee angebaut (pro Finne und Tag 1 Liter. Und wir reden hier von Kaffee, nicht von Schnickschnack wie Latte).
Als wir das Café Regatta erreichen, ist die Idylle kaum noch auszuhalten: ein klitzekleines rotes Häuschen (Tipp aus dem Reiseführer), dazu ein Biergarten (eher: Kaffeegarten) an der Bucht. Kilian und Louisa sind im Glück: Es gibt ofenwarme Zimtschnecken.
Danach kann man für zwei Euro ein Würstchen kaufen und vor Ort am offenen Feuer grillen. Danach isst man das Würstchen so, wie die Finnen: aus der Hand. Ohne Brötchen. Nur mit etwas Senf oder Ketchup. Gerade für Louisa war das schon immer der einzig mögliche Weg, Würstchen zu essen.
Aber daheim sind die Eltern immer so unentspannt. Hier sitzen alle vier nur da und seufzen wohlig … Perfekt! Auf dem Rückweg kreuzen wir den Strand und beobachten Wettkämpfe, die wohl die finnischen Meisterschaften im Mannschaftsfrisbee sind.
Auf drei Feldern treten jeweils zwei Teams mit einer Frisbee an und haben viel Spaß. Am Eisstand der Schock: Eine Kugel kostet 3 Euro! Wir bummeln durch den tatsächlich sehr grünen Friedhof zurück und dürfen aufs Zimmer.
Was wurde da auf Tripadvisor nicht geschimpft, über den Standard und die grauen Gänge. Aber ein Wohnheim ist nunmal ein Wohnheim. Wir haben zwei große Zimmer mit 4 Betten samt Küchenzeile und einem winzigen Bad, für 100 Euro pro Nacht ein echtes Schnäppchen.
Am späten Nachmittag laufen wir in die Innenstadt, was nicht wirklich lange dauert. Da es inzwischen richtig warm ist, sind die Bänke in der Esplanade voll. Straßenmusiker und Seifenblasenkünstler, Eisverkäufer und - klar - mobile Kaffeeverkäufer. Einziges Problem: Wir haben alle Hunger! Ja, der Marktplatz ist schön, aber die Essensstände packen gerade zusammen. Nein, zu McDonalds oder Burger King oder Subways wollen wir nicht - und landen dann beim Schnellmexikaner. Was satte 50 Euro kostet, einigermaßen schmeckt und die Laune allgemein hebt. Nochmal kurz zum Dom, dann laufen wir zurück - fallen alle vier müde ins Bett und schlafen alle vier gut…
Die Prinzessin schlägt die Augen auf und fragt: “Wann kommt das Frühstück?” Das Dienstpersonal hat heute frei und du musst dich selbst zum Frühstück begeben, Kleines …. Im Keller bietet unser Hostel im “Metropol” auch Frühstück an, 8 Euro für Erwachsene, 4 für Kinder. Die Auswahl ist klein, aber lecker. Erstaunlich, wie viel Wassermelone gegessen wird und der Porridge-ähnliche Brei schmeckt auch ganz gut. Die Tauerskinder beweisen mal wieder, dass sie nicht zur Fraktion der “wir essen, was auf den Tisch kommt”-Weicheier gehören, sondern knallhart rumzicken können. Die Rache der Erziehungsberechtigten wird an diesem Tag noch folgen und sie wird grausam vitaminhaltig sein …
Kilian ist offensichtlich vom Schuljahresendspurt noch etwas ermattet und chillt eine Runde mit einem Hörbuch. (sonst stünde auch noch nichts in diesem Blog) Das Wetter hält sich mal wieder an den Bericht, es regnet bei 15 Grad. Gegen 11.30 Uhr steuern wir die Felsenkirche an, eine DER Sehenswürdigkeiten hier, noch dazu gleich bei uns um die Ecke. Offensichtlich sind gerade zwei Busladungen asiatischer Touristen angekommen und das große Posieren auf dem Felsen hat begonnen. Am Eingang stellen wir fest dass die Kirche nicht mehr - wie noch im Reiseführer von Anfang 2017 beschrieben - kostenlos ist, sondern pro Nase drei Euro kosten würde. Da die Großen 2003 schon drin waren und die Kleinen auch ohne Kirche gut leben, investieren wir das Geld lieber in Tageskarten für die Straßenbahn. Das Gegenstück zum Programm in Rom bei Hitze übrigens, als wir den sauteuren Bus genommen haben.
Zwischenstopp am Bahnhof, Jugendstilgebäude. Eine der großen Hallen wird inzwischen profan von Burger King genutzt. Die Züge nach Russland haben eine größere Spurbreite. Moment mal, der Zug nach St. Petersburg braucht nur drei Stunden? Drei???? Nicole gerät ins Grübeln und Gerald hat es auf einmal sehr eilig auf die bestimmt ganz komplizierten Einreisebedingungen und die Vorabvisanotwendigkeit hinzuweisen … zu schade!
Im botanischen Garten scheitert das Regentagprogramm leider daran, dass die Gewächshäuser gerade saniert werden. Da es nicht mehr regnet besichtigen wir die Außenanlagen und bummeln danach in den nächsten Stadtteil, zu den Hakaniemi-Markthallen. Der Schwerpunkt liegt auf Fisch, was nur eine von drei begeistert, aber schließlich finden alle was: Kartoffelbrei und Fleischbällchen (Kilian), nur Fleischbällchen (Louisa) und Quiche (Nicole und Gerald).
Der junge Mann an der Theke plaudert über die Familiengeschichte: Die Mutter ist aus Augsburg, seine Brüder wohnen in Estland …. Danach gibt es noch eine Kaffepaussi, was für ein wunderbares finnisches Wort. Den trinken wir dort, wo ihn auch die Finnen trinken: Auf dem Marktplatz, neben einem kleinen Zelt. Das mit der Waffel klappt erst im zweiten Anlauf: Die Mädels an der Theke hatten die erste schlicht im Waffeleisen vergessen, uns dafür aber ein Croissant geschenkt.
Nachdem wir eine Weile die aufgeweckte Spatzenschar beobachtet haben, die schon in Lauerstellung liegt, laufen wir relativ steil bergauf zur Kallio-Kirche.
Die Jugendstildekoration beeindruckt auch Kilian und wir bleiben eine ganze Weile und hören dem Organisten zu. Denn der (jung, russisch) übt gerade für das Konzert am Abend und das klingt ziemlich gut.
Mit der Straßenbahn fahren wir dann an das andere Ende der Innenstadt, auf die Katajanokka-Halbinsel.
Auf der ehemals russischen Insel übersommert die Flotte der Eisbrecher. Ein schöner Spaziergang geht am Ufer entlang, vorbei an schicken Yachten, Protzbooten, Wasserflugzeug.
Vorne am Marktplatz gibt es jetzt eine schicke Holzlounge mit sagenhaftem Blick, wer will da über die 8 Euro für ein 0,3-Bierchen jammern…?
Wir suchen mal wieder nach Essen, die Marktbuden schließen schon. Hm. Durch die grünen Esplanaden, vorbei an teuren Ravintolas (Restaurants). Halt! Ein Deli, nur mit Salaten. Bezahlbar! Juhu! Der Nachwuchs ist entsetzt. S.A.L.A.T? Hat aber nur die Wahl, was auf den Teller kommt: Couscoussalat, Eier, Parmesan (Kilian), Hühnchen, Eier, Tomaten (Louisa), dazu gibt es Wasser und Brot. Und für die Eltern einen dicken echten leckeren Salat.
Danach noch ein kleiner Bummel, durch teure Läden und kleine Shops, nochmal den Blick von der Domtreppe in der Sonne genießen. Dort verweilen wir, denn (O-Ton Kilian und Louisa) “das ist besser als Kino”: Ein Schwarm Möwen jagt Touristen, die mit einem Eis über den Platz bummeln. viele werfen das Eis entnervt weg, manche bleiben cool, andere bekommen es schlicht aus der Hand geklaut - ein Schauspiel.
Mit der Linie 2 zuckeln wir dann gemütlich zurück.
Das Frühstück läuft deutlich runder und wir verlassen kurz nach 10 Uhr das Zimmer. Der Rest des Tagestickets für die Straßenbahn will genutzt sein. Die Linie 2 soll uns bis zum Marktplatz fahren. Plötzlich fängt der Straßenbahnfahrer an zu reden - auf finnisch und in äußerst depressivem Ton. Fast möchte man dem Mann helfen, aber wir haben inzwischen gelernt: Mit dem Reden habens die Finnen nicht so. Das Klischee des schweigsamen Nordländers ist stille Realität. Nach dem Blickkontakt ein scheues Lächeln, mehr nicht. Dagegen sind selbst Franken echte Plaudertaschen. Deshalb war es für den armen Straßenbahnfahrer wohl die Höchststrafe, den Fahrgästen erklären zu müssen, dass eine defekte Bahn die Gleise blockiert und wir einen Umweg fahren. Das hat uns eine mehrsprachige Finnin verraten.
Achja, die Finnin. In drei Tagen Hauptstadt ist uns aufgefallen, dass die Finnin offensichtlich nicht den Zwang zur Bikinifigur verspürt oder konsequent auf dem Weg dorthin scheitert - was sie beides sehr sympathisch macht. Und wir haben einen Frisurentrend entdeckt: Bunt. Sehr bunt. Lange Haare farbenfroh coloriert. In der eleganten Version ist das schwarz mit dunkelblau und lila. In vielen Fällen sieht das strähnige Grün aus wie ein tragischer Unfall im Salon. Das knallige Pink hingegen ist schon wieder recht cool. Kilian und Louisa haben Spaß daran, solche Frisuren zu suchen. Etwas peinlich wird es, wenn das zarte Mädchen mit der gar nicht zarten Stimme in der Fußgängerzone brüllt: “Kilian! Schau mal! da! Schon wieder eine!” und dazu mit dem Mittelfinger zeigt, weil sie aus Prinzip nie den Zeigefinger nutzt. Und nein, Bildmaterial gibt es keines. Wir fallen schon genug auf.
Erste Station des Tages ist die russisch-orthodoxe Uspenski-Kathedrale, die gestern geschlossen hatte. Auch die Busse voller Asiaten sind schon da, die allerdings nicht lange verweilen. Wir schon, denn die aufwändig verzierte Kirche ist schon sehenswert und stimmungsvoll.
Zum Mittagessen gehen wir in die Alte Markthalle am Meer. Und juhu, alle vier finden was: Louisa ein Baguette mit Wienerle und Senf (für sagenhaften 2,40 Euro), Kilian und Gerald teilen sich eine Art Dönerteller (hier ist Gerald eher unfreiwillig beteiligt) und für Nicole gibt es Fisch, Fisch, Fisch.
Der Himmel verdunkelt sich, pünktlich wie im Wetterbericht angekündigt, wir schauen uns das große alte Kaufhaus Stockmann an. Das ist zwar ganz nett dekoriert, aber bestimmt nicht das Harrods des Nordens. Allerdings flanieren dort viele Menschen mit dickem Konto, die ihre Getränk in der Schickimicki-Rooftopbar schlürfen. Wir genießen kurz die Aussicht, trinken unseren Kaffee aber lieber ein paar Stockwerke weiter unten im Mumincafé. Die kleinen Trolle sind in Finnland Kult und bei uns schon lange auf dem Nachttisch.
Die Sonne scheint wieder (bei 15 Grad), wir bummeln los Richtung Meer. Auf dem Weg eine schöne Holzkirche, die Reiseleitung referiert: Kirche der deutschen Gemeinde! Direkt dahinter befindet sich das Observatorium! Hm. Direkt dahinter befindet sich eine Straße - wie schon in Rom haben wir die falsche Kirche erwischt, die dann aber um einiges sehenswerter war, als die echte deutsche Kirche kurz darauf. Im Viertel gibt es viele kleine Cafés und auffallend viele Miniläden, also inhabergeführten Einzelhandel, was bei uns inzwischen so schmerzlich vermisst wird.
Der Park am Observatorium bietet eine sagenhafte Sicht, dann geht es an der russischen Botschaft (groß) vorbei durch den nächsten Park ans Meer. Unglaublich viel Grün, nur einen Spaziergang vom Zentrum entfernt.
Wir beobachten den Gänseschwarm, essen Eis unter einem Baum (damit uns die Möwen nicht entdecken), bummeln am Meer entlang zurück zum Marktplatz, zählen Schiffe und Boote, sehen dicke Fähren und Luxusschiffe - das ist kein Kulturprogramm, macht aber allen viel Spaß. Um 18 Uhr knurrt uns der Magen, zum Glück hatten wir am Observatorium ein “finnisch-amerikanisches Frühstück zum 4. Juli” entdeckt. Freunde können die USA ja derzeit wirklich gebrauchen, also gönnen wir uns Hotdogs und leckere Burger. Die uns freundlicherweise verkauft werden, obwohl wir keinen Voucher von der US-Botschaft haben - ups.
Auf dem Heimweg noch ein Abstecher in die supermoderne Kapelle der Stille, gegen 19 Uhr sind wir daheim - und alle vier wunderbar müde.
So viel gelaufen, so viel gesehen. Und ab morgen wird im Grünen gezeltet!
Wir waren so gut in der Zeit. 10.30 Uhr, geduscht, gefrühstückt, gepackt, alles fertig.
Gerald holt das Auto, das wir ja um die Ecke geparkt haben - und kommt ziemlich entnervt zurück: “Du darfst deinen Charme spielen lassen…” Wir hatten im Auto das Innenlicht brennen lassen, jetzt ist de Batterie leer. Und Nicole hat die Aufgabe jemanden zu finden, der nicht nur ein Überbrückungskabel dabei hat, sondern auch noch zwei Straßen weiter zu unserer Karre mitfährt. Nicole sondiert auf der Straße, wartet ab. Nebendran hüpft Kilian aufgeregt auf und ab, wann fragt sie endlich endlich endlich? An der Tankstelle gegenüber hält ein weißer Mazda 6, Nicole wittert ihre Chance, klopft , die Scheibe geht runter. Es folgt eine Lektion in Sachen Völkerverständigung: Zwei Araber, einer kann englisch, beide habe eigentlich keine Zeit - und helfen natürlich trotzdem. Gerald steigt zu und die drei brausen zu unserem Auto, Kilian, Louisa (Stofftier fest im Griff) und Nicole gehen zu Fuß. Bis sie ankommen hat der weiße Mazda locker eine Baustelle ignoriert und es irgendwie geschafft über Rad- und Gehweg äußerst schnittig einzuparken. Die Kühlerhauben sind schon offen, es dauert nur einen kurzen Moment, dann läuft unsere Wagen wieder, ein kurzer Gruß, die Herren parken genauso schnittig wieder aus und fahren davon.
Doch vor dem direkten Weg nach Naantali, unserer ersten Zeltstation, steht noch ein Museumsbesuch. Denn die Reiseleitung hätte es nicht übers Herz gebracht, ein paar Tage in der Metropole zu verbringen und dann in die Natur abzutauchen, ohne das landesweit größte Sciencecenter Heureka besucht zu haben. Die Strecke dorthin hat das Handicap, dass Nicole den Weg weist - der dauert dadurch etwas länger, als er müsste. Im Heureka selbst gibt es eine Ausstellung vom Körperwelten-Macher, der sich diesmal die Tierwelt vorgenommen hatte. Strauße, Ziegen, Haie, Gorillas, Elefanten, Giraffen sind dort als reine Muskelpakete zu sehen.
Das ist am Anfang etwas gruselig, schnell aber vor allem faszinierend. Auch das restliche Museum macht Spaß, auch wenn wir viele Stationen schon vom Technoseum oder der Elementa kennen.
Es gibt auch kleine Laboratorien, in denen Kinder Experimente durchführen dürfen. Der grüne Schaum, denn Kilian aus Lebensmittelfarbe, Spüli, Zitronensäure und Backpulver produziert, ist zwar nicht neu. Aber der Labormantel und die Schutzbrille schon sehr schick.
Noch ein ausgiebiges Mittagessen im Café Einstein (gutes Preis-Leistungsverhältnis), dann ziehen wir gegen 15 Uhr endlich los Richtung Zeltplatz.
Der Campingplatz in Naantali sieht noch genauso aus wie vor 13 Jahren, als Nicole und Gerald schonmal dort waren. Wir finden einen lauschigen Platz, bauen auf. 13 Grad, sonnig, steife Brise. Aber bei Sommerwetter zelten kann ja jeder … Gerald und Louisa richten ein , Kilian und Nicole jagen Essbares. Genauer: Sie suchen einen Supermarkt, was mit der top-orientierten Nicole am Steuer bedeutet, dass sie direkt in der benachbarten Stadt Turku landen. K-Market, ein Riesensupermarkt. Und wenn man kein Finnisch kann, kann man sich auch wirklich garnix erschließen - ein sehr anstrengender Einkauf. Immerhin, Milch heißt Maitos. Was wie eine Käsespezialität aussah, entpuppt sich als schnöder Schmelzkäse. Aber es gibt sehr leckeres Brot. Leckere Käsebrötchen. Schokowaffeln.
Um 19.30 Uhr braten wir ein paar Würste an, danach bummeln wir bei strahlendem Sonnenschein nochmal in den Ort und verfransen uns dank mangelnder Dämmerung total … Erst klettern wir auf die Felsen und schauen auf die Schären (hach!), dann am Ufer entlang, am Meer, in den Restaurants spielt Musik (und ein sehr junger Finne intoniert “Living next door to Alice”) - ups, ist das schon spät! Es ist 23 Uhr, bis wir alle in die Schlafsäcke kriechen. Auf dem Zeltplatz tobt noch das Leben. Denn es ist zwar kühl, aber noch ziemlich hell.
(der Blogeintrag für heute, Donnerstag, kommt erst am Freitagabend. Wir waren den ganzen Tag auf der Insel bei den Mumins, Sonnenschein und kühler Wind. Wir brauchen jetzt alle dringend Schlaf - und heute nacht soll es auf 7 Grad runtergehen. Morgen abend gibt es dann auch Bilder)
Auf dem Campingplatz wimmelt es vor kleinen Kindern. Kein Wunder, befindet sich doch bei einer kleinen Insel bei Naantali DER Freizeitpark Finnlands: Die Muminwelt. Da wir seit Jahren begeistert die Geschichten von den Waldtrollen und ihren Freunden lesen, gehen wir dort natürlich auch vorbei. Am Eingang müssen wir erstmal schlucken: Kinder bezahlen ab dem 2. Lebensjahr voll. Und das macht bei vier Personen 104 Euro. Liegt vielleicht daran, dass der Park nicht mal zwei volle Monate im Jahr geöffnet hat … Drinnen gibt es erstmal Verkaufsstände! Essen wie bei Muminmama, Donuts von der kleinen Mü etcetc. Dazu selbstverständlich ein großer Shop. Hat man sich dort vorbeigekämpft, wird es ganz nett: Es gibt das Muminhaus mit seinen verschiedenen Stockwerken, einen Weg durch den Wald, das Badehaus und so weiter.
Erstaunlich im High-Tech-Land: Die Muminwelt ist zwar erst 25 Jahre alt, aber ziemlich altmodisch. Nichts flimmert oder blitzt (okay, außer den Hattifnatten, kleinen elektrisch geladenen Wesen, aber die müssen das auch), rein gar nichts ist digital. Keinerlei Fahrgeschäfte. Kein Dauergedudel wie im Legoland. Sondern viel Wald, mal ein sprechender Baum, mal ein Boot mit einer Rutsche. Und unsere Kinder sind - glücklich.
Louisa vor allem aus einem Grund: Vor dem Muminhaus laufen überlebensgroße Mumins und andere Gestalten herum, die man knuddeln darf. Was Louisa voller Wonne nutzt, vor allem beim Snorkfräulein (weil die so einen tollen Pony hat)
Kilian hingegen schreckt das erstmal ab: Kapuze über den Kopf, Sonnenbrille auf, soooo cool “Och nee, da ist schon wieder einer…” Erst als der Hemul auftaucht, sein persönlicher Held (ein verschrobener Typ: trägt Frauenkleider, sammelt Briefmarken ) springt er über seinen Schatten und lässt sich Arm in Arm fotografieren.
Die Atmosphäre ist erstaunlich entspannt, obwohl vermutlich für finnische Verhältnisse absolute Hochsaison ist. Die Mumins reden zwar nicht, aber Schnupferich, Mü und die anderen nehmen sich viel Zeit, um mit den sehr beeindruckten finnischen Kids zu plaudern. Und so vergeht überraschend doch der Tag, auch wenn eigentlich nicht so viel passiert. Sehenswert ist auch das Mädchen, das tatsächlich mit einem Steckenpferd (neue Trendsportart) unterwegs ist. Nur das Wetter stresst etwas: Sonnenschein bei 15 Grad, aber eiskalter Wind. Zum Abschluss sehen wir uns auf der Bühne, auf der ständig etwas läuft, noch etwas “Mü feiert Geburtstag” an - Musical auf Finnisch, mit Englisch/Russisch/Chinesisch/Japanisch als Übertitel … Der Nachwuchs ist begeistert.
Abends sind wir vom Wind alle durchgeblasen und müde. Noch einmal kurz auf die Schäre um die Ecke, um 22.30 liegen wir alle im Bett.
Die Sonne strahlt, es soll 20 Grad geben. Ausflugspläne sind gestrichen: Warum sollten wir eineinhalb Stunden einfach nach Rauma fahren, die schöne Holzhausstadt in den Schären, wenn wir doch gerade direkt in einer schönen Holzhausstadt in den Schären sind? Wir bummeln gegen Mittag in den Ort, essen ein leckeres Buffet, bummeln am Meer entlang.
Staunen über die finnischen Kinder, die am Strand ins Wasser toben und schwimmen (die Eltern bleiben meist am Ufer). Nicole und Louisa schaffen es bis zum Knie, mehr muss nicht sein.
Ein Eis am Ufer, an der Kirche vorbei (da waren wir am Vortag drinnen. Tipp: Kirchen im Norden sind stets gut beheizt und haben meist eine gute Toilette), Picknickvorräte einkaufen.
Ein paar Worte zum Zeltplatz: Die Lage in einem Kiefernwald, am Meer, auf einem Hügel ist wunderschön. Die Sanitäranlagen sind zu wenige - nur fünf Duschen und Toiletten pro Geschlecht. Und sie werden definitiv zu selten geputzt. Dafür hat sich der Testosteronanteil auf dem Platz erhöht: Die türkische Nationalmannschaft in Lacrosse trainiert auf dem Sportplatz. Nein, das ist keine nordische Randsportart, sondern kommt aus Kanada. Was die Jungs gerade nach Naantali verschlagen hat - wir wissen es nicht. Aber es sieht sehr witzig aus, wenn sie mit ihren kleine Netzchen übers Feld rennen…
Um 19 Uhr haben wir die Taschen schon für die Abreise am Samstag bereit gemacht. Dann gehen wir picknicken, auf einem der schönsten Plätze der Welt. Auf den Steinen oberhalb von Naantali, verbringen wir zwei Stunden, zählen Bötchen, beobachten den Hafenmeister - einfach nur schön.
Ps: Was nach den Mumins noch war: Der finnische Zeltnachbar, Papa von drei Mädchen, hatte ein Anliegen: Seinen Autobatterie ist leer, weil die Kühlbox nachts Strom gezogen hatte. Ob wir vielleicht ein Kabel haben….? Haben wir bekanntlich nicht, helfen aber gerne weiter als er eines vom tschechischen Camper holt. Und als das nicht will, holt Nicole eines von den Schweizern. Als Dankeschön stehen abends eine Flasche Cider, eine Dose Bier und Gummibärchen auf dem Tisch.
Es ist schon wieder soweit: Wir verlassen das Finnische Festland. Kiitos Suomi! (Dankeschön Finnland) Wir kommen bestimmt wieder :-) Nicole findet einen Standortwechsel garnicht schlecht: kaum ist die Sonne da, hat sie der Heuschnupfen auf einmal fest im Griff. Nach einer besonders lauten Niesattacke steht die finnische Mama eines benachbarten Zeltes bei uns und wedelt mit Tabletten. Sie leidet auch an Allergie und falls Nicole was brauchen sollte … apropos Natur: Hier blüht gerade der Raps, Flieder und Rhododendron ebenso - wie Mai in Deutschland, was auch von den Temperaturen her passt.
Wir fahren um 9.30 Uhr ohne Frühstück vom Zeltplatz. Die Fähre in Osnäs geht um 13 Uhr, aber um dorthin zu gelangen, müssen wir vorher kurz einmal eine weitere Fähre nehmen, die man nicht buchen kann. Und wir können überhaupt nicht abschätzen, wieviel Verkehr in Richtung Aland (die Insel werden übrigens mit Kringel über dem A geschrieben, aber den kennt diese Tastatur nicht) bei bestem Wetter wohl herrscht. Schließlich haben uns Reiseführer, Buchungspersonal bei alandstrafiken und ein netter Deutscher, der eine Unterkunft auf Kumlinge führt, eingeschärft: Hochsaison! Hölle los! Unbedingt buchen!
Nunja. Wir waren 2016 im August in Italien. In Rom und am Meer. Das war Hochsaison. Hier geht es unglaublich beschaulich zu. Auf dem Weg nach Kustavi gibt es einen kurzen Proviantstopp an einer Raststätte - die Moral auf Beifahrerseite (Kaffee!!!!!) und Rückbank sinkt ohne Nahrung gerade beträchtlich. Der Laden bietet “Pizzaa”, aber auch Kaffee und günstigen, leckeren Kuchen. In Kustavi selbst: eine ganz kleinen Schlange, die Fähre pendelt gemütlich von einem Ufer zum anderen, kostet nichtmal was, und schwupps sind wir schon am anderen Ufer. In Osnäs angekommen ein ähnliches Bild: Ein paar verstreute Fahrzeuge, kein Stress. Und wir haben noch über eine Stunde Zeit.
Noch einmal Kaffeepaussi im Restaurant, dann geht es locker auf die Fähre. Wir hatten unsere Fahrzeughöhe etwas zu niedrig eingeschätzt (dicker Jetpack auf dem Dach), Nicole will den jungen Fährmitarbeiter informieren und spricht ihn an - oweia. Ein junger scheuer Finne, der auch noch stottert. Man möchte sich wirklich für die unvermittelte Kontaktaufnahme entschuldigen. Die Klappen sind schon zu, da kommt ein kleines Auto mit Lichthupe angesaust - die junge Dame darf natürlich noch mit.
35 Minuten dauert die Fahrt, dann sind wir auf der ersten Insel: Brändö. Die Kommune zählt 1200 Inselchen, bewohnt von insgesamt 470 Einwohnern. Wir sind für eine Nacht im Hotell Gullvivan, dort bekommen wir ein kleines Hüttchen zugeteilt.
Wir gönnen uns zum leichtem Jazz vom inseleigenen Radiosender eine kleine Tour durch die Insel - Kilian und Louisa müssen da jetzt mal durch.
Wir trinken Kaffee in Trixies Shop , dazu selbstgebackenes Gebäck, besichtigen die Kirche, sehen verlassene Gewächshäuser und viele kleine roten Holzhäuschen.
Was für ein Glück, dass wir einen dicken Aland-Reiseführer dabei haben, in dem wirklich jedes Geschäft und jedes Café steht. Denn davon gibt es nicht so viele und die sind oft gut versteckt.
Wir besichtigen einen alten kleinen Hafen, Sommertagsstangen (dekorierte Masten) und essen im Imbiss Braändö Stugby leckere Burger zu Abend.
Im Hotel angekommen können Kilian und Louisa am Ufer noch etwas mit dem Kescher das Ufer unsicher machen - sie sind glücklich über ihren ersten Fang, auch wenn die beide kleinen Fische das nicht überleben. Sie werden am Fuße einer Birke bestattet.
Nicole und Gerald trinken auf der Terrasse Bier und rosa Cider (süß, lecker) und versuchen den Blog auf den neuesten Stand zu bringen. Mehr ländliche Ruhe geht nicht. Nur ein paar Stechmücken stören die Idylle.