Der Wind weht noch die ganze Nacht. Das weiß Nicole, weil sie eine gute Weile zugehört hat, während neben ihr drei Schläfer selig geschnarcht haben. Nachts muss dann wieder der eine aufs Klo und dem anderen ist kalt - nur, weil man viel Zeit im Schlafsack liegt, ist man noch lange nicht ausgeschlafen. Das junge holländische Pärchen hatte nachts noch sein Zelt geflickt, reist aber dann doch morgens ab. Und wir stehen mit Augenringen in der Rezeption: Ob jetzt nach dem Wochenende vielleicht eine Hütte frei wäre …? Und tatsächlich, wir beziehen für zwei Nächte die Nummer 13, die wir jetzt direkt mal als Glückszahl betrachten. (Klar: kaum haben wir die Hütte, hört der Wind auf. Aber wir freuen uns trotzdem über die festen Wände. Erst ab Dienstag soll es wärmer als 13 Grad werden).
Als stärkendes Mittagesessen gibt es viermal Yumyum, asiatische Tütensuppen, in diversen Geschmacksrichtungen. Eine deutsche Mama wendet sich mit Grausen ab, als sie uns sieht und trägt ihren Topf Reis zu Mann und Kindern - müsste man das Hipster-Klischee malen, hier wäre eine passende Vorlage. Uns schmeckts trotzdem.
Zelturlaub ist Ausnahmezustand. Oder schlafen wir sonst bei 8 Grad draußen?
Danach laufen wir etwa 20 Minuten in die Innenstadt. Unser Weg führt an einem Fahrradexpressweg vorbei und wir staunen, mal wieder. Wo wir in Deutschland gerade gemächlich mit der Planung beginnen, gibt es das hier im Norden längst. Richtige Fahrrad-Highways, die sich kreuzen und nachts beleuchtet sind.
Auch in Sachen E-Mobilität ist Norwegen vorne: Ständig überholen uns Teslas oder Hybridfahrzeuge. Elektroautos zahlen keine Maut und kommen kostenlos auf Fähren, die Kosten übernimmt der Staat.
Woher der Reichtum kommt. besichtigen wir im grandiosen Erdölmuseum. Aber vorher führt uns der Weg in den kleinen mittelalterlichen Dom mit wunderschöner Atmosphäre und ein Bio-Café, vorbei an viel Streetart.
Dazu gibt es in Stavanger inzwischen das Nuart-Festival, der in den vergangenen 13 Jahren in der ganzen Stadt seine Spuren hinterlassen hat. Der Zeitpunkt unseres Museumsbesuchs ist strategisch und mit diversen Norwegern abgesprochen: Sonntagabend wurde uns empfohlen, da am Montag ein Kreuzfahrtschiff anlegen wird und danach 2500 Urlauber in die Gassen und das Museum strömen werden. Wir sind 2,5 Stunden im Norsk Oljemuseet -und gehen auch nur, weil es um 19 Uhr schließt. Die Ausstellung befasst sich ausschließlich mit der norwegischen Geschichte der Erdölförderung seit den 1960er, den großen Unglücken, den neuen Plänen
Als Einstieg gibt es einen Film (mit Proudzent, Schauspielern, Drehbuch), in dem ein Mann Mitte 40, umweltbewusst, sich tränenreich mit seinem kranken Vater versöhnt, der früher auf einer Bohrinsel gearbeitet hat. Die Nachricht: Der große Reichtum hatte das Land verändert, aber die Arbeit auf der Bohrinsel war hart. Nach dem Film sehen wir noch weitere Eltern, die ihren Kindern gerade ganz ganz viel erklären müssen…. Es gab Unfälle mit Toten (Helikopterabstürze, Inselunfälle), es gibt es neues Sicherheits- und Umweltbewusstsein. Anstandshalber läuft auch mal eine ölverschmierte Möwe durchs Bild. Aber offensichtlich hatten die Norweger eher sauber gearbeitet. Wir rutschen durch Rettungsnetze, blicken in Kapseln, begleiten Taucher auf der Arbeit - sehr faszinierend.
Genauso spannend: Der knallbunte Geopark, der aussieht, wie eine Restrampe des Museums. Doch hinter den knallbunten besprayten Reifen und Bällen verbirgt sich in Spieplatz und Eventort, der gemeinsam mit der Jugend von Stavanger entworfen wurde. Sehr cool.
Als Ausgleich zur Tütensuppe gönnen wir uns ein Abendesse im Café Sting, ein günstiges Kulturcafé auf dem Stadthügel Valberget. Burger, Nachos und Salat sind lecker, dazu kommen ein Glas Wein (kolumbianischer Hauswein, rot) und ein Pint Bier. Beides schmeckt auch - zum Glück, bei dem Preis … (Wein 9 Euro, Bier 11 Euro).
Wenn es um Mitternacht gerade mal dunkel wird, verliert man schnell das Zeitgefühl. Entsprechend spät gehen auch die Kinder ins Bett (alle auf dem Zeltplatz, wie es scheint) und entsprechend lang schlummern wir in unserer windgeschützten Hütte.
Es gibt zwei Stockbetten. Nicole und Louisa schlafen unten, Gerald (auch genannt: Der, der sich im Schlaf nie umdreht) oben, Kilian (der, der nachts im Schlafsack durch das Zelt robbt) geht aufs Sofa. Gemütlich frühstücken, duschen, doch mit einer Wanderung zum Preikestolen liebäugeln - und wieder verwerfen: Gerald hat Rückenprobleme, das Bergwetter verheißt 9 Grad Niesel und Sturmböen. Nichts, was man auf dem berühmten (und an drei Seiten steil abfallenden) Berg braucht.
Also bummeln wir in die Innenstadt und fragen uns, ob wir etwas vom Kreuzfahrtschiff mitbekommen. Was für eine Frage: Es ankert groß im kleinen Hafen. Unsere geringe Kreuzfahrtbegeisterung liegt weniger am ökologischen Fußabdruck (da ist man als Australienfan mal besser ganz still), als an Dingen wie Seekrankheit und zu viele Menschen auf einem Fleck.
Der Wind fängt wieder an zu pfeifen, wir finden Zuflucht in einem Café in der Altstadt. Das kostet wie immer nicht wenig, aber mit Nachfüllkaffee, kostenlosem Zitronenwasser, bequemen Sesseln, kostenlosem W-Lan und einem lustigen Memory (Totenköpfe, Monster und Gespenster) halten wir es eine Weile aus.
Danach streifen wir weiter durch die Altstadt, adrette weiße Holzhäuschen mit duftenden Rosen. In der Farbenstraße (Faregate) waren wir gestern schon.
Dort hatten die Bewohner irgendwann angefangen, die Häuser knallbunt anzumalen. Dann kam Instragram (und vermutlich das eine oder andere Schiff) und auf einmal hat jedes Café dick seinen # samt Insta-Account im Fenster stehen. Hübsch anzusehen ist die Straße, aber statt Geheimtipp heißt es jetzt Touristenviertel.
Wir suchen weiter nach Streetart und finden coole Kunst.
Aber der ständige Wind macht müde - draußen sitzt niemand, drinnen ist es teuer. Um 16 Uhr beobachten wir, wie das Kreuzfahrtschiff wieder ablegt. Und plauschen mit dem Müllmann, der gerade die Last aus seinem kleinen Elektrowagen unterirdisch versenkt. Er kommt aus Mecklenburg, lebt aber seit 11 Jahren wegen des guten Gehalts gerne in Norwegen. Das sei wirklich kein Sommer, meint er bedauernd, dabei hätten sie doch den Golfstrom und die weißen Strände - letztes Jahr hätten wir hier sein müssen, da hatte es 30 Grad. (Das hat uns bisher jeder hier gesagt …)
Der Wind pustet uns zurück auf dem Zeltplatz. Wir kochen in der Gemeinschaftsküche, essen wie alle anderen auf den Bänken im Freien. Allabendlicher Treffpunkt ist die Rezeption: Behaglich, beheizt, viele Steckdosen, W-Lan. Heute wollen wir früher ins Bett und hoffen sehr, dass unsere Fährbuchung für Dienstagfrüh geklappt hat, auch wenn die Mail-Bestätigung noch fehlt.
Das meterologische Institut Oslo gibt bekannt, dass dieser Sommer bisher der kälteste und feuchteste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1971 war. Das hat uns am Dienstagabend eine andere deutsche Touristin in der Rezeption vorgelesen. Ein historisch kühler Juli also und wir sind mittendrin.
Um 7.30 Uhr klingelt der Wecker. Duschen, packen, Hütte fegen, Gebäck im Supermarkt einkaufen (Ha, wir lernen dazu. Bloß nicht ausgehungert auf die Fähre). Um 8.30 fahren wir mit quietschenden Reifen los - die Fähre geht um 9.30 Uhr in Lauvvik, dorthin sind es mindestens 45 Minuten Fahrt und wir dürfen keinen Stau haben. Die Stimmung im Auto ist etwas angespannt, denn in Norwegen hält man sich besser an alle Geschwindigkeitsvorgaben. Also maximal Tempo 70 auf der Landstraße. Aber grundlos: Als wir um 9.14 Uhr in den Fährhafen (also auf die Straße, die zum Wasser führt, mehr ist da nicht, auch kein nennenswerter Ort) rollen, steht da nur eine kleine Schlange Autos. Auch die Sorgen wegen der Reservierung waren unbegründet: Wir rufen kurz den Buchungscode aus dem Fenster und dürfen schon auf die Touristenfähre. Diese soll uns innerhalb von 2 Stunden durch den Lysefjord schippern, inklusive Ansagen der Sehenswürdigkeiten.
Schon nach wenigen Metern ist klar: Für diese grandiosen Fjorde verzeiht man Norwegen sofort alles - auch einen unterkühlten Juli.
Für den Blick auf die Vagabundenhöhle fährt die Fähre gaaaaanz nah ans Ufer, ein anspruchsvolles Rangiermanöver.
Als die Fahrgäste schon kritisch auf die plötzlich sehr nahen Felswände blicken, macht sich der (darf man sagen: betagte?) Kapitän einen Spaß daraus, laut und kurz mit den Nebelhorn zu hupen und sich über die erschrockenen Landratten kräftig zu amüsieren.
Der Preikestolen liegt über uns im Dunst, aber dann reisen die Wolken auf. Sonne!
Ein kurzer Fährstopp in Florli: Der Ort ist nur per Schiff errreichbar. Hauptattraktion sind die 4444 Stufen der längsten Holztreppe der Welt, angelegt auf einer ehemaligen Bahnstrecke. An die 60 Wanderer steigen auch tatsächlich aus.
Weiter geht es vorbei an einer Robbenkolonie und unterhalb des Kjerag, berühmt durch den eingeklemmten kugeligen Felsen, auf den Wagemutige gerne steigen (auch wenn es daneben sehr tief bergab geht).
Tatsächlich sehen wir auf Wanderer auf dem Kjerag winken - und andere dahinter schon Schlange stehen. Wie auf Bestellung springt auch noch ein Base-Jumper und segelt äußerst fotogen im Sonnenschein nach unten.
Lysebotn am Fjordende existiert nur wegen der Energiegewinnung durch Wasserkraft. Der Ort hat 4 Monate im Jahr keine Sonne und den Namen “Ort” eigentlich nicht wirklich verdient. Häuser rund um Zeltplätze schon eher …
Über die Lysefjordstraße geht es im steilen Zickzack nach oben zum Aussichtspunkt. Als wir an einem kleinen Wasserfall pausieren, können wir zwei jungen Norwegern aus der Patsche helfen - wegen schwacher Batterie benötigt ihr Auto Starthilfe. Nicole sorgt für Gelächter, als sie anmerkt, dass man wohl dann erwachsen ist, wenn man zur Abwechslung mal in dem Auto sitzt, das die Starthilfe GIBT (sie erinnert sich noch gut an Zeiten, als das Überbrückungskabel ein treuer Begleiter war). Im Panoramarestaurant mit dem (für Deutsche sehr geschmackvollen …) Namen Adlersnest gönnen wir uns Heißgetränke und sehen uns etwas am Startpunkt zum Kjerag um.
Die Wanderung würde 5 Stunden dauern, fällt für uns also flach. Die Massen stürmen jedoch nach oben oder schon wieder nach unten, wenn wir uns die Dimension des frisch gebauten Parkplatzes ansehen, wird uns schwindelig. Als wir durch die wunderschöne karste Landschaft mit kleinen Seen weiterfahren, verstehen wir auf einmal, weshalb harmlose Steinmännchen zur Landplage werden können: Kein Stein scheint mehr ohne zu sein - und da oben liegen viele Steine.
Die Temperaturen schwanken zwischen 18 und 20 Grad, die Sonne strahlt. Gemütlich fahren wir durch das Setesdal Richtung Telemarkkanal. Ganz viel Landschaft, wenig Menschen. Dafür viele Schafe, die auch gerne kreuzen und den Verkehr lahmleegn. Gegen 18 erreichen wir nach einer steilen Talfahrt das Örtchen Dalen. Auf einer kleinen Insel im See liegt der Buoy Camping Dalen, wie gemalt: Klein, aber fein. Mit großen Aufenthaltsraum (samt Kaffee, Wlan, Steckdosen, Büchern und einem Tischkicker!!!), Jumping Pillow, Freizeittipps. In den Sanitäranlagen dudelt deutsches Radio (NDR4, oder so.) und auch die niederländischen Gäste singen bei den Oldies gerne mit. Dalen sei “Balsam für die Seele”, schreibt der Reiseführer. Der Wetterbericht verspricht 25 Grad. Wir bleiben erstmal hier.
“Fällt euch was auf?” fragte Kilian am Dienstagabend und grinste schelmisch. “Gar kein Wind mehr. Und gerade nur ein paar Tropfen Niesel.” In der Nacht regnet es ganz wenig und am Morgen strahlt die Sonne, wie auch den restlichen Tag. Um 11 Uhr verlassen wir den unglaublich idyllischen Zeltplatz (die Toiletten werden übrigens wie schon in Stavanger von hochmotivierten jungen Männern geputzt. Das fällt vor allem den Frauen in der Familie positiv auf), wir wollen nur kurz den Berg hoch zu einer Stabkirche. Allerdings gibt es dort auch ein kleines Museum und der kleine Ausflug endet wie immer damit, dass wir fast bis zur Schließung des Museums bleiben (ist bei 16 Uhr nicht so schwer).
Zunächst bestaunen wir die dunkel gestrichene Stabkirche von Eidsborg. Im Eintritt zum kleinen, feinen Vest Telemark Museum ist auch eine Besichtigung der Kirche enthalten. Um 12 Uhr sind wir mit dem jungen Norweger vom Museum dann ganz alleine: Das Gebäude wurde etwa 1250 errichtet und ist dem heiligen Nikolaus gewidmet. Der ist übrigens auch der Schutzpatron der Reisenden, was Nicole besonders freut. Die Heiligenfigur, die in der Ecke steht, wurde regelmäßig erst um die Kirche und dann um den kleinen See getragen, damit dieser magische Kräfte bekommt. Es einmal über 1500 Stabkirchen im Land, doch diese fielen einer frühen Variante der Bürokratie zum Opfer: Ab dem 16. Jahrhundert mussten Kirchen eine Mindestgröße besitzen, deshalb wurden viele umgebaut und vergrößert, andere hingegen geschlossen (das war also quasi ein Vorläufer der heutigen strengen Brandschutzbestimmungen …) Heute gibt es noch 28 “echte”, in denen auch Gottesdienste gehalten werden. Mit der Vergößerung bekam die Kirche in Eidsborg statt der Löcher auch Fenster, aber nur zur Südseite. Ausschließlich von da kommen die guten Geister. Fast schon entschuldigend merkt unser junger Guide an, dass die Frauen früher auf der Nordseite (böse Geister) sitzen mussten, die Männer hingegen auf der Südseite (gute Geister) Platz nahmen. Wir löchern den jungen Mann mit Fragen , alle voran Louisa. Dabei fällt ihm tatächlich zum ersten Mal auf, dass einige Deckengemälde wie die Abbildung eines überrgoßen Schmetterlings wirken. Eine Antwort darauf hat er nicht. Uns fällt beim Gang über den Friedhof jedoch auf, dass auch Grabsteine so verziert sind.
Eine Attraktion des Museums ist der 105 Meter lange Miniaturnachbau des 105 Kilometer langen Telemarkkanals. Während der Nachwuchs dort fröhlich Schiffchen durch die Schleusen fahren lässt, können sich die Eltern ungestört im Museum umsehen und dem Nachwuchs danach ein Best-of präsentieren.
Wie gesagt, klein, aber fein: Erst geht es um die Traditionen der (früher sehr armen) Telemarkregion. Unsere Favoriten sind die Hausgötter, die mit Butter und Bier gepflegt wurden.
Als die Pfarrer diese Götter neben dem Gott verboten, wurden sie wahlweise zerstört - oder heimlich zum Beispiel als Bettpfosten verbaut und trotzden erhalten. Kunstvoll sind die Rosenmalereien und verzierten Messser. Aber wir mögen die kopflosen Geiger in Tracht am Liebsten.
Danach geht es, von der Industrie gesponsort, um den Ausbau der Wasserkraft, die Reichtum und Gastarbeiter brachte. Hier kommt die digitale Museumspädagogik zum Einsatz, um Verbindungen zwischen den Seen darzustellen. Den Abschluss machen stimmungsvolle Fotografien von Höfen, die aus verschiedenen Gründen verlassen wurden (Alter. Giftige Aluminiumdämpfe von der Fabrik. Sinnkrise der Mutter - kein Witz!) .
Draußen wartet noch ein Freilichtmuseum. Dieses bietet neben Scheunen, Mühlen und Plumpsklos auch das älteste Holzgebäude Europas, das keine Kirche ist. Dafür rankt sich eine hübsche Sage um Ava und ihre drei Söhne, die wie immer im Norden jedoch ohne Happy End auskommt. Hinein geht es in Wohnhäuser und gute Stuben, dazwischen gibt es ein Picknick an einem idyllischen Plätzchen mitten im Museumsgelände.
Auf dem Heimweg ein Abstecher ist das Dalen Hotel, Baujahr 1894. Wir stehen im prachtvollen Interieur und können alle vier nur hauchen “Hier wollen wir auch mal übernachten” - das allerdings dann in einem anderen Urlaub.
Dalen hat etwas von einem norwegischen Bullerbü - bunt gestrichene Holzhäuser stehen auf sattem grünen Rasen, Idylle pur und das auch noch bei Sonnenschein. Der Zeltplatz tut sein üriges: Ein friedvoller Ort. Bewusst ohne Dauercamper, wie der niederländische Betreiber betont. Im Gespräch zeigt sich, dass er nach 21 Jahren eine - freundlich formuliert - kritische Sicht auf die Norweger hat. Die sich im übrigen mit unseren deckt - die freundlichsten Norweger waren bisher die, die nicht schon seit Generationen hier wohnen. Während die Finnen äußerst gechillt und in der Kommunikation sehr schüchtern, sind die Schweden charmante Strahlemänner. Und die Norwerger? Reich dank Öl und ziemlich knorzig.
Nachdem wir den sonnigen Vormittag mit Waschen und Trocknen verbracht haben, ziehen wir erst gegen Mittag los. Die Reiseleitung hatte beim stundenlangen Vorab-googeln eine kleine Wanderung auf das Venelifjell ausgegraben. Die Anreise nach Vradal zieht sich - viele Kurven, viel Landschaft. Kurz hinter dem Beginn der Staubstraße weist schon ein kleines Schild darauf hin, dass hier ein Zoll entrichtet werden muss.
Kurz darauf die Station selbst: 60 Kronen (6 Euro) sind zu zahlen: Geld in einen kleinen Umschlag, Name und Nummernschild darauf schreiben, Durchschlagskopie kommt in die Windschutzscheibe, Umschlag mit Geld wird eingeworfen. Ahem, das wäre zumindest die korrekte Reihenfolge - die Frau Tauer aber nicht ganz eingehalten hat… nach einer kurzen Diskussion setzen wir darau, dass nicht direkt streng kontroliert werden wird. Gezahlt haben wir ja, wenn auch ohne Umschlag.
Es gibt mehrere Wege auf den Venelifjell. Wir wählen Route 1 und 2 - laut Wanderkarte benötigt man für 2 Kilometer zwei Stunden. Hm. Zumächst führt der Weg auf Brettern und alten Schwellen durch eine Art Moor, danach geht es durch lichten Wald stetig bergauf.
Am Venelisee gibt es eine erste kleine Rast: Der moorige See ist ausdrücklich als Badesee ausgewiesen, es gibt Picknickbänke und sogar eine kleine Hütte für die Nacht (mit vielen Sponsoren). Um die Ecke wartet sogar ein Klohäuschen mit Herzchen in der Tür auf Besucher - aber die waren offensichtlich schon zahlreich da, wir schlagen die Tür ganz ganz schnell wieder zu.
Die Norweger haben im Gegensatz zu uns nicht nur eine Thermoskanne Kaffee dabei, sondern gleich Kochzeug, um frische Pfannkuchen zuzubereiten. Unsere belegten Brote schmecken aber auch - wiedermal erstaunlich was Kinder essen können, wenn erstmal die Umstände passen.
Die Wandertafel sagt: 600 Meter bis zum Gipfel. Es ist wie so oft im Leben: Man blickt zum Ziel und zweifelt, ob man überhaupt aufbrechen sollen, der Weg ist doch so steil. Und dann ist es viel leichter als gedacht. Klar, es geht knackig hoch. Aber Steine sind sogar mit Seilen gesichert. Und die Norweger kennen nichts, kleinste Wanderflöhe müssen schon an der Hand (oder dann auf dem starken Wikingerarm) nach oben. Die Sicht auf dem Venelifjell selbst ist sagenhaft.
Unter uns liegt der Bussvikfjord, rundherum gibt es (fast) nur Natur. Es hat sich so gelohnt. Gemütlich gehen wir wieder nach unten. am Parkplatz werden wir von einer deutschen Familie (mit großem Kind) bang befragt, ob man für die 2 Kilometer wirklich 2 Stunden braucht. Wir sagen: Ja. Aber unbedingt machen!
Auf dem Rückweg legen wir noch einen Kaffeestopp in Kviteseid ein, mit Blick auf den Telemarkkanal.
Norwegen mag sich noch so windig und unnahbar geben - man will hier einfach nicht mehr weg!
Die Sonne strahlt vom Himmel! Neben uns reist die nette norwegische Familie (3 kleine Kinder) ab. Vorher dürfen wir noch einen Blick in den frisch ausgebauten Alu-Wohnwagen werfen und sind sehr beeindruckt.
Danach leihen wir - auf besonderen Wunsch eines kleinen Mädchens - zwei Paddelboote aus.
Auf dem Bandaksee stellen wir aber fest, dass das mit der Fahrt zum Picknickplatz zwei Stunden entfernt noch nichts wird. Louisa kann noch nicht wirklich paddeln, Gerald hat weiter Rücken. Aber auch so verbringen wir den Tag auf dem See.
Erst ein Halt in einer kleinen Bucht für belegte Brote, dann ein Kaffeestopp im Hafen von Dalen. Später ziehen Kilian, Louisa und Nicole gemeinsam los, während Gerald seine Bandscheiben schont. Es klappt ganz gut, allerdings sollte sich Kapitän Kilian abgewöhnen, seine Truppe zu beschimpfen, wenn man aus Versehen das Ufer rammt.
Wir umschiffen Schwäne, wirbeln Kaulquappen auf, beobachten eine Entenfamilie. “Mama, jetzt hör doch mal auf zu paddeln. Wir sind mitten auf dem See. Das ist so schön hier.” Sohn, du hast ja recht.
Danach springen wir noch kurz in den 16 bis 17 Grad warmen See und sind wohlig müde, mit einem leichten Sonnenbrand auf der Nase.
Nun muss noch die schwere Frage geklärt werden, wie es weitergehen soll. Wo wollen wir Samstag bis Montag verbringen, am Dienstag sind wir in Kopenhagen verabredet.
Spannend war noch ein Gespräch mit einem norwegischen Naturschützer am Freitagabend am Fluss. Nicole war mit Kilian und Louisa auf Bibersuche, als sie auf den großen Mann mit Kamera trafen. Er wartete auf springende Forellen und hatte viel zu erzählen: Die massenhaft blühenden Lupinen gehören garnicht nach Norwegen, dafür verdrängen sie andere Pflanzen. Und so sauber ist die Wasserkraft garnicht: Das eingespeiste Wasser ist zu kalt, was Flora und Fauna schadet. Deshalb setzen sie sich dafür ein, dass wenigstens wärmeres Wasser aus den Speichern nach unten fließen soll. Wir stehen mit den Füßen nochmal in dem an dieser Stelle 10 Grad kühlen Wasser und sind angemessen beeindruckt. Danach verliert Nicole noch einmal in Serie am Tischkicker gegen Kilian. War es nicht erst gestern, dass man das Kind - das gerade einen Fortnite-Triumphtanz aufführt - beim Spielen gewinnen ließ?
Am Samstagmorgen packen wir tatsächlich unser Zelt und verlassen den wunderschönen Platz in Dalen samt seinem leicht verschrobenen niederländischen Betreiber. Inzwischen wissen wir: Der Sender, der 24 Stunden lang dudelt, ist MDR Thüringen. Wohnmobile über 6 Meter sind seit diesem Sommer zwar grundsätzlich verboten - aber manche rollen nach der Gesichtsprüfung dann doch durch. Und er wird sich wohl nie merken können, wer alles zu unserer Familie gehört. Sagenhaft nett war er trotzdem und der Platz hat fünf Sterne plus verdient.
Wir zuckeln gemütlich nach Ulefoss zu den Staustufen des Telemarkkanals. Wie gut, dass wir uns gegen eine Bötchenfahrt entschieden haben, alleine die Anreise hätte zwei Stunden gedauert. Zwar wollen gerade keine Schiffe durch die Schleusen, aber sie sind auch so beeindruckend.
Im Bootshaus spielen die drei jungen Schleusenwärter gerade Karten. Wir picknicken auf der Bank. Eine kurze Elternkrise gibt es in Skien, als Nicole nach eine mautpflichtigen Durchfahrt der Stadt ein schickes Café in einem tristen Hafen ansteuert - ja, liebe Kinder, eure Eltern können sich auch mal kräftig streiten (in diesem Fall: Über den Sinn von Kaffeestopps in Innenstädten bei langer Fahrzeit) und danach auch wieder vertragen. Kilian und Lousia waren fassungslos. Sie dürfen sich den ganzen Tag prügeln - aber die Eltern müssen doch einer Meinung sein! Kaffee gab es übrigens dann erst später an einer Tankstelle.
Über die Autobahn geht es Richtung Oslo. Gefühlt informieren alle paar Kilometer neue Schilder darüber, dass die nächste Maut abgebucht wird. In Horten am Oslofjord rollen wir nach kurzer Wartezeit auf die Fähre Richtung Osten nach Moss. Dort wird übrigens sogar norwegischer Wein angebaut. Auf der Fähre waren grell gekleidete Männer sehr damit beschäftigt, die Tür zur Herrentoilette wieder zu öffnen, da diese offensichtlich blockiert war. Gut, dass Gerald kurz nach der Abfahrt schon dort war und die Räume auch wieder verlassen konnte.
Kurz vor der Grenze geben wir unsere letzten Kronen noch in der norwegischen aldi-Variante aus, dann sind wir auch schon in Schweden. Die Einreise ist unproblematisch, einen Stau gibt es bei der Einreise nach Norwegen. Als wir Fjällbacka erreichen - Kulturschock. So viele Menschen! Das zauberhafte Fjällbacka liegt am Meer, unterhalb eines großen Felsens, ist Schauplatz der Ronja Räubertochter-Verfilmung und von der Bücher von Camilla Läckberg (stehen ab jetzt auf der Krimiliste). Und im Sommer rettungslos überlaufen. Der Zeltplatz hat schon weit vorher ein Schild mit “Full” aufgestellt. An der Rezeption erklärt uns eine Dame im breitesten Österreichisch, dass hier erst ab August wieder was geht und drückt uns einen handgemalten Zelt mit dem Weg zu einem Zeltplatz im Wald in die Hand. Derweil cruisen alte Amischlitten herum, offensichtich ist ein Treffen im Ort. Die nächsten Plätze in der Küste sind genauso knallvoll, vor allem Wohmobilwüsten. ..
So war es auch 2017, als wir nach dem komplett entschleunigten Finnland und Aland nach Schweden übergesetzt haben. Die Ostküste war genauso voll wie jetzt die Westküste, damals bekamen wir nach stundenlanger Suche noch Platz auf einem Acker. Ähnlich endet es auch diesmal: Nicole erinnert sich vage, dass im Innenland bei einem Museum ein Zeltplatz sein sollte und ruft auf gut Glück an. Tatsächlich, hier ist noch was frei! Vor 21 Uhr steht das Zelt auf einer ackerähnlichen Wiese. Der Platzwart ist ein dunkelbraun gebrannter Schwede mit viel Golddeko und vermutlich schon einem Bier zuviel (Samstag in Skandinavien…), aber superfreundlich. Es gibt kleine Hütten, wenige Wohnmobile, der Zeltplatz sei ein Familienbetrieb, man wolle nicht Stress und Chaos wie an der Küste, erklärt er.